Bei den in diesem Jahr getroffenen coronainduzierten Verboten und auch den zwischenzeitlichen Lockerungen sowie den „Hilfsprogrammen“ fällt auf, daß der Amateursport sehr schlecht wegkommt.
Entgegen der verbalen Beteuerungen über die Bedeutung der Sports für Physis und Psyche sowie des ehrenamtlichen Engagements der Verantwortlichen sind wir bei Verboten und Schließungen vorne mit dabei. Bei Lockerungen und Ausnahmen jedoch kümmert sich niemand um unsere Anliegen. Die Frage, womit wir als organisierter Sport es verdient haben, so schlecht behandelt zu werden, drängt sich unweigerlich auf.
Wenn man gerade aktuell die nachgeschobenen Argumente hört, warum Sport erneut verboten wurde, fällt auf, welch krude und abwegige Vorstellungen unsere Entscheidungsträger vom Amateursport haben. Dieser wird weit überwiegend dem Freizeit- und Vergnügungsbereich zugeordnet. In sehr vielen Fällen jedoch hat er eine besondere, gesundheitliche Aufgabe. Unsere Bevölkerung besteht eben nicht nur aus privatversicherten Beihilfeberechtigten, die quasi endlos Rezepte für manuelle Therapie, Krankengymnastik am Gerät etc. erhalten. Sondern die gesetzlich Versicherten haben aufgrund der planwirtschaftlichen Rationierungen im Gesundheitswesen häufig nur die Chance, im Gesundheitssport der Vereine für kleines Geld qualifiziert hochwertige Betreuung zu erhalten, die ihnen ein beschwerdearmes Leben ermöglicht. Damit gehören diese Bereiche des von Vereinen bereitgehaltenen Sportangebots viel eher in den Bereich Reha und Gesundheit, für die zurecht Ausnahmen gemacht wurden. Diese Sichtweise ist aber unseren Politikern offenbar völlig fremd. Eher vertraut man darauf, daß die Vereinsecke sich schon friedlich und diszipliniert fügen wird und geht den Weg des geringsten Widerstandes.
Auch der Sport mit Jugendlichen verdient Sonderbehandlung, wenn schon der Schulsport von den Verboten ausgenommen wird. Häufig ist der Vereinssport Ersatz oder unverzichtbare Ergänzung zu einem Angebot der Schulen, das die Bezeichnung Sport eigentlich gar nicht mehr verdient. Eltern-Kind und Kinderturnen müssen ausfallen, Spielplätze sind geöffnet, paßt das? Den Nachweis hoher Infektionsgefahren durch regelkonforme Sportausübung gibt es zumindest bisher nicht.
Hier liegt eine große Aufgaben für Vereine und Verbände, während und nach der Krise dafür zu sorgen, daß das Zerrbild des Amateursports gerade gerückt und dessen Ansehen in der Politik nachhaltig korrigiert und verbessert wird. Erfolgreiche Lobbyarbeit ist unabdinglich in einem Land, in dem Gesetze von diesen Organisationen geschrieben werden. Es darf nicht mehr sein, daß bei Lockerungsmaßnahmen Sport und Bordelle in einem Atemzug genannt werden wie im Frühjahr.

3.11.2020 Hans Joachim Roos